Als wir Puerta Vallarta gestern Nacht rechts liegen ließen, frischte der Wind auf. Wir mussten sogar, hoch am Wind, das zweite Reff einstecken und segelten, segelten wirklich mit ordentlich speed und fast in die richtige Richtung und das über 24 Stunden lang ohne den Motor anwerfen zu müssen. Endlich happy sailing…
Aber wie es eben so ist…
Mexico ist das Paradies der „topes“. In la Ciudad de Mexico ist an jeder Straßenkreuzung – und manchmal auch dazwischen – ein „tope“. Selbst auf der Autopista nach Tula, wo ich die Ruinen besuchte, waren unzählige „topes“, vor denen Schilder mit der Aufschift „Tope“ warnten. Warum man auf Autobahnen Bodenwellen einbaut, ist ein mexikanisches Rätsel. Selbst in Barra Navidad, wo wir das Taxi zum Transport an den Hafen brauchten, waren in allen Straßen „topes“. Völlig unnötig: die Straßen waren mit groben Kieselsteinen gepflastert, sozusagen ein Fischkopfpflaster, und das war so mit Schlaglöchern übersät, dass das Taxi sowieso kaum 30 km/h fahren konnte.
Ich fragte den taxista, ob vielleicht das Transportministerium einen Jahresplan für die „topes“ und einen Onkel mit einer Schildermalerei hätte? Er lachte nur.
Letzte Nacht allerdings stellte sich heraus: auch die Marine hat einen Jahresplan für „topes“. Jedenfalls waren die Wellen – und das zig sm vom Land entfernt, wo sich die See normalerweise zu sinnvollen Wellensystemen entschlossen hat – recht kurz und unregelmäßig und das gute Walross klaschte immer mal wieder mit Getöse in die nächste Welle, was die Schläfer in den vorderen Kojen dann einige cm hebt und wieder auf die Matraze zurück wirft. Im Übrigen klingt dieser Aufprall des flachen Rumpfs auf die Welle so, als schlage der Sargdeckel zu…
Mit der Nacht kommt die Nässe und die Kälte und ich bin nicht so richtig darauf eingerichtet. Es ist schon reichlich dumm organisiert: tagsüber, wenn es ohnehin warm ist, verbrennt einen auch noch die Sonne. Nur nachts, wenn man sie wirklich mal brauchen würde: nebbich!
Am 25. hatte ich mich zur Abendwache noch nicht umgezogen, stand da mit meinem abgeschnittenen Jeanshöschen und im Hemd noch an Deck herum, als Charlotte am Rohr dringend um Ablösung bat. Ich dachte, sie muß mal, doch weit gefehlt. Die Scheiße war eine Andere. Und sie dampfte sozusagen.
Wir hatten nach dem Auslaufen aus Zihutanejo vergessen, das Auslassventil des Fäkaltanks wieder zu öffnen. Nun war er voll und das Pippi von Chippie war zu viel. Als er es abpumpte erhöhte sich der Druck im vollen Tank so stark, dass die Schlauchschelle am Auslass den Geist aufgab. Von oben – der Fäkaltank ist oberhalb der Wasserlinie montiert – stürzten 150 Liter Abgaben von 10 Frau/Mann in die Bilge, von unten kamen 500 Liter Seewasser dazu. Diese aparte Mischung verbreitete sich unter den Bodenbrettern.
Die Mannschaft ackerte bis Mitternacht, um die gröbsten Folgen dieses Malheurs zu beseitigen. Hunterte Liter Seewasser wurden nach dem Abpumpen ins Schiff gepützt und wieder abgepumpt, gepützt und wieder abgepumpt. Werkzeug und Zubehörteile aus der Bilge wurden an Deck gereinigt. Es war eine riesige nächtliche Wasserschlacht, bei der mehrere Flaschen Reinigungsmittel draufgingen. Und sie ging am nächsten Tag mit der Feinreinigung weiter.
Ich stand bis Mitternacht am Rohr und fror wie drei Schneider. In dieser Nacht zog ich den Reißverschluss meines Schlafsacks zum ersten Mal auf dieser Reise bis zur Nase hoch.
In der Nacht zum 27. kam endlich wieder Wind, soviel, dass wir das zweite Reff einstecken mussten. Endlich segeln wir voll und bei mit über 12 Knoten. Auf Stb.-Bug wird das Kochen in der Pantry zu einem artistischen Akt wird. Der Herd neigt sich in der kardanischen Aufhängung bis zum Anschlag, man kommt an den Topf kaum mehr heran, in dem der Eintopf für die 10 Frau/Mann-Crew vor sich hin köchelt.
Und dann ging auch noch der Kicker, der Baumniederholer (Bild => Nr. 8) kaputt. Die Poppnieten im Großbaum, die seine Aufhängung fixieren, sind offenbar abgeschoren. Für Nichtsegler: der Niederholer ist in unserem Fall eine hydraulische Vorrichtung, die den Großbaum nach unten zieht oder nach oben schiebt. Damit lässt sich das Großsegel trimmen, flach ziehen oder bauchig machen, was je nach Wind die Strömung an der „Tragfläche“ Segel optimiert. Die Crew hat schnell mechanischen Ersatz geschaffen – mit einer Talje, wie hier im Bild – aber es ärgert dann doch, dass solche Schäden am Schiff auftreten.
Heute gegen Mittag haben wir die Südspitze von Baja California erreicht, das Cabo San Lucas. Wir sind wohl seit Menschengedenken die erste deutsche Yacht in der Bucht. Wir haben getankt, in der Marina festgemacht und die Leinen schnell wieder eingeholt, als man uns die Liegegebühr nannte. Jetzt ankern wir in der Bucht und haben die Einkäufe mit der „lancha“, dem Wassertaxi herübergebracht.
Cabo San Lucas ist versaut. Voller Jankees, die auf Waterbikes durch die Bucht dröhnen, ein typischer Männersport: die Waterbikes spritzen das Kühlwasser hinter dem Sitz in hohem Bogen in die Luft, so nach dem Motto: wer pisst den dicksten Strahl.
Der Himmel der Bucht hängt voller Parasailer, die an Fallschirmen hinter Motorbooten hochgezogen werden. Und die Marina liegt voller Motorschwuchteln aus California und anderen US-Landstrichen und keine davon ist kürzer als 20m, einige allerdings auch länger als 40 – lauter reiches Pack, was die Preise verdirbt. An den Hängen haben sich würfelförmige Ferienhäuser zu bandförmigen Siedlungen ausgebreitet: so stelle ich mir spanische Küsten vor. Unten an der Bucht sind massive Hotelkomplexe und ein paar stehen auch noch im Rohbau herum und recken die rostigen Moniereisenbündel in den unschuldigen blauen Himmel.
Aber wir haben, vor der pittoresken Szenerie auf der anderen Seite des Sandstrandes, wo die Felsen zerklüftet sind, einer mit einem riesigen Tor, durch das die See rauscht, gut mosern: wir gehören ja dazu zu dem Tourismusrummel.
Vor der Einfahrt in die Bucht habe ich nun endlich auch die ersten Wale gesehen. Es waren zwei Jungtiere, die ungefähr 30 m vor unserem Bug träge auf- und abtauchten, bis wir ihnen dann doch zu sehr auf die Schwarte rückten. Da tauchten sie ab.
Heute Nacht bleiben wir in der Bucht – oder auch nicht. Unser Fahrplan ist doch sehr eng bis L.A. Ab nun werden wir uns sputen müssen. Ich hoffe nur, dass der Wind wiederkommt – und einmal aus der richtigen Richtung, die uns erlaubt, die Schoten zu schricken.